Die neuen französischen Herkulesmünzen

von Christoph Wurm – Dieser Aufsatz wurde erstmalig veröffentlicht im Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbands, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Heft 3/2014, S. 4f.

Bei Sammlern und Anlegern stieß 2011 und in den beiden Folgejahren eine Serie der Monnaie de Paris auf reges Interesse. Münzen mit auffallend hohen Nennwerten wurden ausgegeben: eine in jedem der drei Jahre geprägte Silbermünze zu 100 Euro sowie eine Goldmünze zu 1000 Euro (999er Gold, 2011/12: 20 Gramm, 2013: 17 Gramm).

2012 und 2013 kamen eine silberne 10 Euromünze und eine weitere Goldmünze hinzu, mit dem Nennwert 5000 Euro (75 Gramm 999er Gold, Auflage: je 2000). Alle tragen, wie so viele griechische und römische Münzen der Antike, das Bild des Herkules, und zwar ein identisches Motiv.

Eine weitere Extravaganz: das ,herkulische’ Format der silbernen 100 Euro-Münze, mit einem Durchmesser von 47 mm ein überdimensioniertes Prachtstück, deutlich größer als etwa ein Maria-Theresien-Taler.

«Le métal est précieux, le posséder l’est plus encore» – so der offizielle Werbespruch der Monnaie de Paris.

Auf den Münzen erscheint eine Dreiergruppe, Herkules zwischen zwei Frauengestalten. Ein oberflächlicher Betrachter könnte meinen, das Treffen mit Κακία (eigene Bezeichnung: Εὐδαιμονία) und  Ἀρετή sei hier abgebildet, wie es am schönsten von XENOPHON im Anschluss an den Sophisten PRODIKOS VON KEOS in den Memorabilien (II, 1, 21 – 34) geschildert wird.

Es handelt sich jedoch um ein ganz anderes Bildmotiv, das unmittelbar auf die Französische Revolution zurückgeht und durch die Inschrift LIBERTÉ, ÉGALITÉ, FRATERNITÉ unterstrichen wird.

Herkules, bekleidet mit dem Fell des Nemëischen Löwen, symbolisiert die Fraternité, er steht zwischen seinen beiden Schwestern: links (vom Betrachter aus gesehen) die Freiheit, rechts die Gleicheit. Die allegorische Figur der Freiheit ist ausgestattet mit

Schwert und Phrygerkappe (die sie noch heute als Marianne trägt), die Gleichheit hält das Maß in der Hand. In brüderlicher Geste liegen seine Hände auf beider Schultern, sie reichen einander die Hände. Er verkörpert «ein einzig’ Volk von Brüdern», das eine Nation formt, die – gemäß dem Ideal JEAN JACQUES ROUSSEAUS (1712 – 1778) – an die Stelle der Summe egoistischer Einzelwillen, der volonté de tous, die geballte Kraft des Gemeinwillens setzt, die volonté générale.

Zum ersten Mal erschien diese allegorische Dreiergruppe auf einer Münze zu 5 Francs während der ersten Republik, damals noch mit der Umschrift Union et Force.

Urheber des Motivs ist AGUSTIN DUPRÉ (1748 bis 1833), der von der Assemblée Nationale 1791 zum Graveur Géneral de Monnaies ernannt wurde. Die Nationalversammlung hatte einen offenen Wettbewerb um dieses Amt ausgeschrieben.

Seine erste Schöpfung war ein Louis d’Or zu 24 Livres mit dem Porträt LUDWIG XVI. (1754 – 1793).

Das klassizistische Herkules-Motiv erinnert nicht durch Zufall an die Gemälde des JACQUES-LOUIS DAVID (1748 – 1825). Er war der Lehrer Duprés und er saß in der Gutachterkommission, die den geeigneten Bewerber für das Amt des Graveur Géneral auswählte.

Nach der Proklamation der Republik gestaltete Dupré die Mehrzahl der neuen Dezimalmünzen. 1803 ersetzte Napoleon ihn durch PIERRE-JOSEPH TIOLIER (1763 – 1819). Duprés Herkulesmotiv erschien seit 1848, seit der Zweiten Republik, wiederholt auf französischen Münzen. Zum ersten Mal trug die Münze damals das Motto Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit, das sich auch auf allen späteren Prägungen findet.

Die Rückseite der aktuellen, von dem Graveur JOAQUIM JIMENEZ (*1956) gestalteten Münzen zeigt den jeweiligen Euro-Nennwert, um den sich zwei Zweige, ein Eichenzweig und ein Lorbeerzweig, sowie die Aufschrift RÉPUBLIQUE FRANÇAISE wölben. Eingefasst wird dieses Ensemble von ornamentalen Linien, die drei ineinander verschachtelte Sechsecke ergeben – l`Hexagone ist der Umriss Frankreichs.

«Ich finde, wir sollten uns an die Antike anlehnen und die dazwischenliegenden Jahrhunderte vergessen. Die Neuzeit wird unweigerlich vom geistigen Erbe des Plutarch und des Livius geprägt sein!» Diese Wort legt HENRI TROYAT (1911 – 2007) in seinem David-Roman La femme de David (Deutsch: Der Schwur der Horatier) dem Protagonisten in den Mund.

Die Münzen sind nicht nur prachtvolle Sammlerstücke, sondern Dokumente der Vitalität antiker Mythologie.

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