Raubüberfall für Anfänger

Das renommierte spanische Verlagshaus Espasa Calpe bringt seit geraumer Zeit eine Serie mit dem Titel Espasa Idiomas heraus, mit Taschenbüchern zu den modernen Sprachen: Grámatica italiana, Gramática portuguesa, Deutsch-, Englisch- und Französischbücher. Die Bände, die ich kenne, sind  robust, und optisch wie typographisch sind sie ansprechend und übersichtlich gestaltet.

Das Buch Portugués fácil ist ein unterhaltsamer Einführungskurs zum Selbststudium des Portugiesischen in 24 Lektionen.

Eine wohltuende Alternative zu so manchen vergleichbaren Büchern aus Deutschland, die vor allem aus Hochglanz-Fotos von Touristenattraktionen, Speisekarten und Delikatessen des jeweiligen Landes bestehen.

Vor allem l’italiano ist Opfer solcher Publikationen. In ihnen ist das Italienische primär nicht das Idiom der Gassen Roms, Venedigs, Neapels. Erst recht nicht die Sprache Dantes und Petrarcas. First and foremost erscheint es als Zugang zum korrekten Bestellen üppiger Teller: mit Tagliatelle, Fettuccine, Spaghetti Carbonara, dazu 25 verschiedener Sorten Eis als Nachtisch …

Im hedonistischen Deutschland unserer Tage pflegt das Cover eines Italienisch-Buches nie das Profil Dantes zu zeigen, sondern einen Espresso, einen Teller dampfender Spaghetti oder eine Riesenpizza Napoletana. Und im Vorwort heisst es obligatorisch: mit dem jeweiligen Werk sei das Italienische ,kinderleicht‘, man könne es ,ohne Stress‘ lernen …

Die ersten 12 Lektionen von Portugués fácil behandeln in Alltagssituationen und Dialogen den Besuch des Spaniers Ignacio in Brasilien, danach geht es nach Portugal.

Ein in der Grundstruktur vergleichbares Buch war der Klassiker 30 Stunden Portugiesisch von Langenscheidt, das längst nicht mehr gedruckt wird. Verfasst war es von dem bedeutenden Romanisten Prof. Hans Flasche und bietet eine exzellente, da unüberboten exakte, Einführung in die portugiesische Grundgrammatik und den Wortschatz.

10.Auflage, 1962

Angereichert ist Portugués fácil mit zahlreichen landeskundlichen Erläuterungen und einer soliden Darstellung der Grammatik, wobei in jeder Hinsicht beide Varianten, Portugiesisch und Brasilianisch, berücksichtigt werden.

Das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Wer sich etwa das Oxford Essential Portuguese Dictionary kauft, wird auf dem Cover keinen Hinweis auf eine Tatsache finden, die im Vorspann, im Kleingedruckten auf S. 10 Erwähnung findet: „The phonetics in this dictionary are for Brazilian Portuguese.“

Für mich als jemanden, der bereits eine ganze Reihe von Sprachbüchern benutzt hat, war es ein Novum, in Portugués fácil auf eine Lektion mit einem unüblichen, doch wirklichkeitsnahen Sujet zu stoßen.

Lektion 17 behandelt – in souveräner Missachtung etwaiger ,politisch korrekter‘ Einwände – einen Überfall in einer dunklen Gasse Lissabons plus anschließende Strafanzeige auf dem Kommissariat. Auf jemanden, der vom Spanischen her zum Portugiesischen kommt, mögen die sanften Klangmodulationen des Portugiesischen stets einnehmend wirken, hier aber ,erklingt‘ Unerfreuliches:

Quieto aí, pá, e fique calminho. Deixe tudo o que tem no chão e não lhe acontecerá nada.

Mas o que é que está acontecendo! O que é isto!

Isto é um assalto, pá. Desça do pesseio, abra a sua pasta e dê-me tudo o que tem, não se esqueça do dinheiro dos bolsos, da carteira, tudo!

– Still, Freundchen, ganz ruhig. Legen Sie alles, was Sie bei sich haben, auf den Boden. Dann geschieht Ihnen nichts.

Ignacio: Was ist denn los? Was soll das?

– Dies ist ein Überfall, Freund. Gehen Sie vom Bürgersteig weg, öffnen Sie Ihre Aktentasche und geben Sie mir alles, was Sie haben, vergessen Sie nicht das Geld in den Hosentaschen und Ihrer Brieftasche, alles! (und so weiter)

FAZIT: Portugués fácil ist, wie die anderen Taschenbücher der Serie, eine empfehlenswerte Anschaffung, ein Buch für jeden, der Spanisch kann und Portugiesisch lernen möchte.

 

 

1 Sandra Beltrán Baeza, 2004