Salviamo la punteggiatura!!!

Unter dem Titel „Salviamo la punteggiatura“ – „Retten wir die Zeichensetzung“ (ohne ein folgendes Satzzeichen) hat das italienische Wissenschaftsmagazin Focus in diesem Monat (August 2018, Heft Nr. 310) einen lesenswerten Artikel herausgebracht. Er erläutert, wie die Kommunikationsgewohnheiten per telefonino den Gebrauch und die Bedeutung der Satzzeichen verändern. Die Texte, die wir etwa per WhatsApp erhalten oder auf Twitter lesen, sind „parlato camuffato da scrittura“ – „Gesprochenes, als Schrift verkleidet“, und aus italiano wird e-taliano.

So wie Texte durch Smiley :‑) (seit 1982) und Emoji (seit Ende der 90er Jahre) radikal verändert werden, so greifen auch die neuen Formen unserer Kommunikation tief in die Zeichensetzung ein. Dieser Prozess ist – wie üblich – in ominösen amerikanischen Studien untersucht worden.

Der Punkt verschwindet, ja seine Setzung wird als ablehnende Botschaft interpretiert, als Zeichen von Aggressivität oder Distanzierung. Wo drei Punkte verwendet werden, ist die Bedeutung nicht immer eindeutig. Das Semikolon, schon lange vor Erfindung des telefonino das Sorgenkind unter den Satzzeichen, stirbt aus, jetzt ist es der Saurier in der Miniaturwelt der Interpunktion. Wer ihn noch setzt, gilt als pedantisch, denn der punto e virgola ist „fuori luogo in un contesto di simulazione dell’oralità“ – „fehl am Platz dort, wo es darum geht, Mündlichkeit nachzuahmen“.

Die Verfasserin Elisa Venco weist darauf hin, dass unsere Satzzeichen zum Teil italienische Erfindungen seien. 1500 habe der venezianische Drucker Aldo Manuzio das Semikolon und den Apostroph erfunden. Und Alpoleio da Urbisaglia 1360 das Rufzeichen!!! Und damit den großen Sieger im Wettkampf der Satzzeichen. Es wird nicht mehr nur zur Markierung von Ausrufen und emphatisch benutzt, sondern bezeichnet „sincerità e calore“ – Aufrichtigkeit und Wärme, und ist (deshalb: so zumindest eine Studie aus dem Mutterland der Political Correctness) besonders bei Frauen beliebt.

Vorbei die Zeiten, in denen Ernest Hemingway, so erfahren wir, ein ganzes Buch, ,The Old Man and the Sea’ (1952), unter Verwendung eines einzigen Rufzeichens schrieb: ,Ecco!’ – die Reaktion des Protagonisten darauf, dass der Riesenfisch den Köder schluckt. (Die Taschenbuchausgabe, so habe ich gerade bei amazon eruiert, umfasst 112 Seiten).

Was Emoticons und Emoji betrifft, so sei die Idee keineswegs neu. 1841 schlug, so lesen wir, der belgische Journalist Marcellin Jobard ein neues System der Satzzeichen vor, mit zahlreichen Zeichen, etwa für Beifall, Ironie, Genugtuung, Zweifel. ,Amore’ war eine Herzform, ,acclamazione’ ein spezielles Rufzeichen, ein V mit einem Punkt darunter. Als jedes Zeichen eines Telegramms noch teuer bezahlt werden musste, sicher eine gute Idee – vorausgesetzt, das System wäre weltweit akzeptiert worden.

Abgerundet wird der Artikel durch fünf Ratschläge zum richtigen Gebrauch der Interpunktion (bei denen alle oben erwähnten Punkte ausgespart sind):

  1. Kein Komma zwischen Subjekt und Prädikat: Mario, parla troppo.
  2. Kein Doppelpunkt vor Objekten: Ho comprato: le arance, le mele, le pere.
  3. Kein Fragezeichen in der indirekten Rede: Le ho chiesto come si chiamava?
  4. Nie mehr als drei Punkte hintereinander: e ci siamo capiti …….
  5. Keine Anhäufungen von Ruf- und oder Fragezeichen: ?!?!

1862 wollte Victor Hugo von seinem Verleger erfahren, wie gut sich Les Miserables verkaufte, ohne allzu viel in sein Telegramm zu investieren.

Er sandte also eines, das aus nur einem Zeichen bestand: ? Die Antwort: !