Tierische Künste

Dass es Schlaue und weniger Schlaue nicht nur unter uns gibt, sondern auch im Tierreich, ist bekannt. Man denke an freundliche Schlauberger wie die Delphine oder gerissene Finsterlinge wie die Ratten, wahre Intelligenzbestien.

Was weitaus weniger bekannt sein dürfte: In der Tierwelt gibt es auch Künstler. In der August-Ausgabe des italienischen Wissenschaftsmagazins Focus findet sich dazu Erhellendes unter dem Titel ,Arte animale’, als Ergänzung eines umfangreicheren Dossiers zu den anthropologischen Grundlagen von Kunst.1

Kunst, so erfahren wir, ist keine „pecularità della nostra specie“. Die Laubenvögel (Ptilonorhynchidae) Australiens und Neu-Guineas etwa errichten im Wald komplexe Strukturen, die keine unmittelbare praktische Funktion haben: „I ‘giardini’ non sono nidi, ma servono solo per attirare i partner.“ – „Die ,Gärten’ sind nicht etwa Nester, sondern dienen ausschließlich dazu, Partner anzuziehen.“

Diese Lauben werden von den Männchen mit sorgfältig ausgewähltem Baumaterial, etwa Federn und Steinchen, kunstvoll symmetrisch dekoriert, und zwar so, dass sie in verlockender Farbgebung, blau oder rot, in der Dunkelheit des Waldes weithin sichtbar sind.

Vor diesen Balzlauben, wahren loci amoeni, führen die Männchen einiger Arten dann anmutige Tänze auf, „un’ altra manifestazione artistica“, um sich in Szene zu setzen und so mögliche Partner hineinzulocken. Sie sind Architekten, Designer und Tänzer in einem – dazu kommt noch, dass es sich beim Laubenvogel um einen Singvogel handelt. Nicht schlecht für einen Piepmatz: Jeder von ihnen steht für ein komplettes Waldorf-Schulprogramm. (Nein, den an diesem Punkt allzu obligatorischen Witz über das Tanzen des eigenen Namens mache ich nicht.)

Was hindert also das öko-und bioversessene Europa daran, Lehrstühle für Ornithologische Kunstwissenschaft zu etablieren, mit Vorlesungen über ‚L’istoria ornitologica dell’arte’?

In jedem Fall sollten, wenn wir über Kunst und Künstler nachsinnen, unsere Gedanken nicht in verfehlter Überheblichkeit ausschließlich dem Menschen gelten, sondern auch deVögeln.

 

1 Marco Ferrari, Alle origini dell’ arte, S. 126 – 130, hier S. 130