Traduttore, traditore – Traduire, c’est trahir -Der Übersetzer: ein Verräter

Aus Pascals Pensées:

Die Menschen sind notwendigerweise so verrückt, dass ein nicht-Verrückter nur auf andere Weise verrückt wäre.

Wahr auf dieser Seite der Pyrenäen, falsch auf der anderen.

Wer die Eitelkeit der Welt nicht sieht, ist selber eitel.

Die Nase der Kleopatra: Wäre sie kürzer gewesen, das ganze Antlitz der Erde hätte sich gewandelt.

Vielfalt, die nicht auf Einheit zurückgeht, ist Wirrwarr; Einheit, die sich nicht auf Vielfalt gründet, Tyrannei.

Der Mensch ist weder Engel noch Tier, und das Unglück will es, dass, wer den Engel spielen will, zum Tier wird.

Nie tut man das Böse so vollständig und mit so heiterer Gelassenheit, wie wenn man es mit gutem Gewissen tut.

Zwei Exzesse: die Vernunft ausschalten; nichts als die Vernunft zulassen. (1)

Les hommes sont si nécessairement fous que ce serait être fou par un autre tour de folie de n’être pas fou. (414-112)

Vérité en-decà des Pyrénées, erreur au-delà. (294-609)

Qui ne voit pas la vanité du monde est bien vain lui-même. (164-36)

Le nez de Cléopâtre: s’il eût été plus court, toute la face de la terre aurait changé. (162-413)

La multitude qui ne se réduit pas à l’unité est confusion; l’unité qui ne dépend pas de la multitude est tyrannie. (871-604)

L’homme n’est ni ange ni bête, et le malheur veut que qui veut faire l’ange fait la bête. (358-678)

Jamais on ne fait le mal si pleinement et si gaiement que quand on le fait par conscience. (895-813)

Deux excès: exclure la raison, n’admettre que la raison. (253-183)

An Pascal-Zitaten, in alle Sprachen übersetzt, ist im Internet kein Mangel. Einzelzitate, aber auch ganze Sammlungen von Auszügen aus den Pensées sind leicht zu finden.

Als ich ein paar solcher Stellen auswählte und übersetzte, ging es mir primär nicht um die Weitergabe von philosophischen Einsichten Pascals – obwohl ich das mit diesen Zitaten aus den Pensées gerne tue – sondern um eine philologische Frage: Wie genau ist es zu erklären, dass die Übersetzungen (mehr oder weniger)  wirkungsvoll sein mögen, wenn sie für sich stehen, beim Vergleich mit den französischen Originalen aber sofort schwerfällig und unelegant wirken?

Pascals schlichter Wortschatz, seine Antithesen, Paradoxa und überraschende Beispiele sind unschwer wiederzugeben. Kein Vergleich etwa mit Problemen, die sich dem in den Weg stellen, der sich daran macht, Philosophisches aus dem klassischen Griechisch zu übersetzen.

Ebenso seine semantischen und syntaktischen Stilfiguren, etwa: Vielfalt Einheit Wirrwarr Einheit VielfaltTyrannei. Was genau aber ist es, was die Originalzitate so unnachahmlich und einprägsam macht?

Die Hauptursache, denke ich, liegt in der Wortlänge. Der französische Wortschatz stellte Pascal eine Vielzahl wesentlich kürzerer Wörter zur Verfügung, als sie der deutsche Übersetzer hat. Im ersten Zitat etwa entspricht dem winzigen Einsilber fou, der die ganze Bedeutungslast trägt, das deutsche ,verrückt‘, das die Übersetzung klobiger macht als das Original.

Außerdem ist der Satzrhythmus schwer nachahmbar, ebenso natürlich die Klanggestalt, die Pascal stets wirkungsvoll einzusetzen versteht. So verwendet er für seine Antithesen gerne Wörter mit derselben Silbenzahl, was die Gegenüberstellung scharf hervortreten lässt: en-decà versus au-delà, ange versus bête.

Meine Zitate aus den Pensées sind auf Deutsch alle länger als die Originale, wirken in der Gegenüberstellung wie aufgedunsen.

Dabei ist maximale Kürze bei maximalem Inhalt das Grundkriterium für das Gelingen aller Sentenzen, Sprichwörter, Bonmots. Darauf zielen alle Epitheta, die man im Deutschen für solche sprachlichen Äußerungen verwendet, zum Beispiel ,glänzend formuliert‘, ,geschliffen‘, ,zugespitzt‘ ,pointiert‘, ,(aus-)gefeilt‘. Keinesfalls zufällig ist, dass solche Wörter, die den gelungenen Stil rühmen, meist Perfekt-Partizipien sind, also Verbformen, die den Abschluss einer Handlung bezeichnen, hier den des Arbeitens, des Feilens an der Formulierung. Eleganz, so heißt es ja, ist die Kunst des Weglassens.

Der Nachteil des Vergleichs mit dem Original gilt selbstverständlich auch für französische Übersetzungen, vor allem für Texte aus solchen Sprachen, die sich noch kürzer fassen: Latein, Englisch, Spanisch, wo es die französischen Wiedergaben sind, die oft recht unvorteilhaft in die Breite gehen.

Ein Hauptproblem der Wiedergabe deutscher Texte im Französischen besteht darin, dass dabei nicht nur Klanggestalt und Rhythmus, sondern auch kernige Schlichtheit und Tiefe (=Herleitbarkeit aus Elementarwörtern) des germanischen Wortmaterials verloren gehen, wenn aus Grund raison, aus Handlung action, aus Gefühl émotion, aus Bewunderung admiration, aus verrückt fou wird. Im Englischen, wo romanische und germanische Elemente im Wortschatz Seite an Seite gebraucht werden, tritt dieser Unterschied ebenfalls hervor: jeder Gast freut sich über a hearty welcome mehr als über a cordial reception.

Zurück zu Pascal. Zurecht lernen französische Schüler (2):

„Auch seine erbittertsten Verleumder, die seine apologetische Haltung ablehnen, würdigten eminente stilistische Qualitäten Pascals: die Präzision seines Wortgebrauchs – unverzichtbare Bedingung für die Klarheit des Denkens – die Ablehnung von Übertreibungen und Exzessen, den Sinn für die Formel.“

„Même ses plus farouches détracteurs, qui contestent sa démarche apologétique, reconnaissent à Pascal d’éminentes qualités de style: la précision du mot, condition indispensable à la clarté de la pensée, le refus des outrances et des excès, le sens de la formule.“

(1) Zitiert und übersetzt nach der Ausgabe von D. Descotes (Flammarion) Paris 1976.

(2) Alain Couprie, Pensées. Grandeur et misère de l’homme. Blaise Pascal, (Profil BAC, Hatier) Paris 2008, S. 6.

Tag&Abend

                              Cal pas dire de mal del jorn que non siá passat.

                     (Il ne faut pas médire du jour, avant qu’il ne soit passé.)

                             Man soll den Tag nicht vor dem Abend schmähen.

                                                Okzitanisches Sprichwort.

Jean-Baptiste Hiriart-Urruty, Ah,ça c’est bien dit! 1001 proverbes du Pays basque, d’Occitanie, de Catalogne … et d’ailleurs. 2019, S. 67.

Zitat des Tages: nervende Psychotherapeuten

„Fünf Dinge, die jetzt als Psychotherapeut nerven“ – Schlagzeile aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Juni 2020. Der Artikel stammt von einem Jan Kalbitzer, offenkundig kein deutscher ,native speaker‘. Man sieht: Die Beherrschung elementarer Syntax-Regeln des Deutschen ist keine Eingangsvoraussetzung bei der (früher mal renommierten, heutzutage vor allem: sterbenslangweiligen) FAZ.

Ladies, caught red-handed

Mrs. Digby told me that when she lived in London with her sister, Mrs. Brooke, they were, every now and then, honoured by the visits of Dr. Samuel Johnson. He called on them one day , soon after the publication of his immortal dictionary. The two ladies paid him due compliments on the occasion. Among other topics of praise, they very much commended the omission of all naughty words. What! my dears! then you have been looking for them? said the moralist. The ladies, confused at being caught, dropped the subject of the dictionary.

J. Sutherland, The Oxford Book of Literary Anecdotes, Oxford 1982, S. 108.

Weltsprache Galicisch – O galego, lingua mundial

Historia da lingua galega ist der Titel eines kurzweiligen Taschenbuchs,1 das die Geschichte des Galicischen, des galego, skizziert. Im Jahre 60 v. Chr. eroberte Julius Caesar den Nordwesten Spaniens, Galicien, dessen Einwohner in befestigten Orten lebten, den castros. Das Lateinische wurde die Sprache der römischen Provinz Gallaecia. Ab dem Mittelalter, bis in die Gegenwart, ist Galicien Ziel der Pilger nach Santiago de Compostela, zum Grab des heiligen Jakob. Das Gebiet an der Peripherie gehört zum Herzen Europas.

Im Mittelalter war galego Kultur- und Dichtersprache, wurde aber vom Kastilischen verdrängt. Heute jedoch ist es eine der Staatssprachen Spaniens.

Aus: Dierke, Taschenatlas der Welt (dtv), 7. Aufl. 1992. Ausschnitt aus der Karte Spanien/Portugal, S. 70//71, auf der man deutlich den Verlauf der beiden Flüsse Minho und Douro  sehen kann.


„Mama, Papa, in welcher Sprache redet ihr eigentlich? Im Wörterbuch steht keins von den Wörtern, die ihr sagt.“ Die drei Verbformen zeigen die enge Verwandtschaft, nicht Identität, mit dem Portugiesischen. ,Falades‘ = port. falais (ungebräuchlich); vén = port. vem; dicides =dizeis (ungebräuchlich). Spanisch: habláis; viene; decís.

Der Verfasser, Pepe Carreiro, von dem auch alle Illustrationen stammen, stellt präzise das Verhältnis zwischen dem Galicischen und dem Portugiesischen dar:

„Das Galicische war die Sprache ganz ,Gallaecias‘, eines Gebietes, das das heutige Galicien umfasste, dazu Portugal bis Coimbra sowie den westlichen Teil von Asturien und Leon. Daher kann man noch heute Galicisch an manchen Orten dieser beiden letztgenannten Territorien hören.

Stahlstich des XIX. Jahrhunderts

Aber im 12. Jahrhundert entstand das Königreich Portugal und Gallaecia wurde durch den Fluss Minho geteilt. Seitdem gibt es zwei Arten von Galicisch: das, was wir nördlich vom Minho sprechen, und das was sie (=die Portugiesen) südlich von ihm sprechen. Diese Teilung hat seine Entwicklung beeinflusst, aber das Galicische und das Portugiesische sind auch heute noch Zwillingssprachen. Die Portuguiesen brachten das Galego-Portugiesische bis nach Lissabon und Algarbien, Territorien, die sie von den Mauren eroberten. Und, weil sie überaus wagemutig waren, setzten sie seine Ausbreitung fort, nach Brasilien, Afrika, sogar nach China. Dank dieser imperialistischen Triebkräfte können wir heutzutage mit über 200 Millionen Menschen in unserer eigenen Sprache sprechen.“ (S. 12)

O galego era a lingua de toda a Gallaecia, territorio que comprendía o que hoxe è Galicia, Portugal até Coimbra, e a parte occidental de Asturias e León. Por iso, aínda hoxe oímos falar galego en lugares destes dous últimos territorios. Mais no século XII naceu o reino de Portugal e a Gallaecia ficou dividida polo Minho. Dende aquela hai dous galegos, o que falamos do Minho cara ao norte e o que falan do Minho cara ao sur. Esta división  ingluíu na sua evolución, mais o galego e o portugués aínda non deixaren hoxe de seren linguas xemelgas. os portugueses levaron o galego-portugués até Lisboa e o Algarve, terras que lles conquistaron aos mouros. E, como eran ouados abondo, cotinuaron até o Brasil, África e incluso a China. Grazas a estas ansias imperialistas, podemos hoxe falar con máis de douscentos millóns de persoas en todo o m undo na nosa propria lingua.

Spanien im XII. Jahrhundert (aus: Atlas histórico de Espana y Portugal, Julio López-Davalillo Larrea, Madrid (Editorial Síntesis) 1999.

„Ich habe die Nase voll von Schafen, ich lerne jetzt Kastilisch und werde Minister.“

Bleibt zu ergänzen, dass es heutzutage (mindestens!) drei Formen des Portugiesischen gibt: Galicisch, Portugiesisch und Brasilianisch. Bemerkenswert: Es gibt uralte sprachliche Fragmente, Einzelwörter der Sprache der Einwohner Galiciens vor der römischen Eroberung, die noch heute verwendet werden, und auch ihren Weg nach Übersee, nach Brasilien gefunden haben (S. 4).

Silberne Pilgermuschel mit herrlicher Patina. Santiago de Compostela, Ano Santo 1982.

1  Pepe Carreiro, Historia da lingua galega. Do latín ao acento de Burgos. Baía Edicións, A Coruna 2012.

2  Fettdruck im Original, auch bei ,Zwillingssprachen‘.

Lockende Reize, reizende Locken

1802 erschien zum ersten Mal Johann August Eberhards (geb. 1739, gest. 1809) synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache. Später wurde es von Otto Lyon mehrfach überarbeitet. Das Werk in der 17. Auflage 1910 ist ein Handwörterbuch (20 cm hoch, ca. 13,5 cm breit, ca. 6,5 cm tief), was bemerkenswert ist angesichts der Masse wohlgeordneter Informationen auf 1201 Seiten.

Jeder Gruppe von Synonymen, also etwa Anfangen, Anbrechen, Anheben, Beginnen, Antreten sind die Äquivalente auf Englisch, Französisch, Italienisch und Russisch vorangestellt. Danach werden die Wörter fein differenzierend voneinander abgegrenzt und mit Beispielen veranschaulicht.

Am Ende des Buches finden sich fünf Stichwortverzeichnisse zum Auffinden jedes Einzelwortes, auf Deutsch wie für jede der genannten vier anderen Sprachen.

Ausgangspunkt ist – wo es ergiebig ist für die angestrebte schattierende Worterklärung und Bedeutungsdifferenzierung –  die Herkunft der Einzelwörter. Zurecht schreibt Lyon im Vorwort dazu: „Ist doch in vielen Fällen das Zurückgehen auf die sinnliche Grundbedeutung eines Wortes das einzige Mittel, um eine klare Anschauung von dem Begriffe desselben zu erhalten.“ (S. IV).

Zum Beispiel:

anfangen: von Hand an etwas legen zum Halten, angreifen, anfassen; 

anbrechen: eigentlich ein Brot, eine Flasche anbrechen, anfangen von dem Brote abzubrechen, der Flasche  ,den Hals brechen‘;

anheben: angreifen zum Bewegen, man rief Hebenden zu ,Hebt an!‘

So erklärt das Wörterbuch den Unterschied zwischen Zweck und Ziel:

„Zweck (urspr. ein kurzer Eisennagel oder Holzpflock (jetzt noch Schuhzwecken), namentlich der Nagel in der Mitte der Schießscheibe, nach dem der Schütze zielt) bezeichnet überhaupt das, warum und wozu etwas getan wird, oder warum und wozu etwas da ist, z.B. ,Der Zweck der Tragödie ist Rührung‘, Schiller, Über die tragische Kunst. So spricht man vom Zweck einer Reise, einer Handlung, eines Gesetzes, eines Buches usw. Ziel (urspr. das Ende oder die Grenze, die für einen Gegensatnd oder für eine Tätigkeit gesetzt wird, namentlich der beim Wettlauf zu erstrebenden Ort oder Gegenstand) ist der Endpunkt, der erstrebt wird, z. B. das Ziel einer Reise ist der Ort, nach dem man reist, der Zweck einer Reise ist die Erholung, ein Geschäft, ein Besuch usw. ,Ich jage nach dem vorgesteckten Ziel‘ (Phil. 3, 14).“

Manche Erläuterung des wackeren Prof. Lyon, seines Zeichens Stadtschulrat in Dresden, atmet wilhelminischen Geist und entbehrt nicht der Komik: „Auch eine tugendhafte Frau reizt durch ihre außergewöhnliche Schönheit; aber eine Buhlerin lockt den unerfahrenen Jüngling durch ihre verführerischen Künste in ihre Netze.“

Auch in Vergessenheit Geratenes aus der Sprachgeschichte findet sich, etwa der Versuch Goethes und anderer Autoren, Egoist durch Selbstler oder Selbstling zu verdeutschen.


Einbildungskraft und Phantasie: „Die Fähigkeit, früher durch die Sinne wahrgenommene Erscheinungen zu reproduzieren und sich vorzustellen, nennt man Einbildungskraft. Von dieser unterscheidet sich die Phantasie dadurch, dass sie sich nicht, wie die Einbildungskraft, auf das Entstehen einzelner Vorstellungen , sondern auf die willkürliche und unwillkürliche Verknüpfung derselben untereinander bezieht.  Namentlich bezeichnet Phantasie die Fähigkeit, die Vorstellungen in ganz neue Verbindngen treten zu lassen und so schöpferisch tätig zu sein. (…)“

FAZIT: Für jeden, dem daran liegt, sich präzise auszudrücken, ist das Handlexikon ein perfektes Hilfsmittel, in unseren Tagen genauso wie vor hundert Jahren. Und: auch zweckfrei und ziellos (siehe oben) eine bereichernde Lektüre. Im Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB) lassen sich Exemplare unschwer und zu einem guten Preis beschaffen.

Big Mac, Pommes & 1x Moral, bitte.

Als einer der Anführer der österreichischen Grünen sich’s ausgerechnet bei McDonald’s so richtig schmecken ließ, war er so blöd, sich beim Verschlingen seiner Riesenburgerpommesmahlzeit ,ertappen‘ (in Anführungsstrichen, weil jeder meinetwegen dort essen soll, wo er will) und fotografieren zu lassen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich Anfang 2020 das Bild, und Twitter erbebte von Entsetzen, ,Fremdscham‘, Schadenfreude oder einfach nur Gelächter.

Dabei braucht man kein tiefer Kenner oder gar Verächter der menschlichen Natur zu sein, um zu wissen, dass es oft eine Kluft gibt zwischen Reden und Handeln.

Das Englische bringt es auf den Punkt. Wenn so etwas vorkommt, lautet der Kommentar it’s very much do as I say, not do as I do. Und ein Sprichwort sagt: actions speak louder than words. Die Rumänen empfehlen „Fă ce zice popa, nu ce face el!“ – „Tu, was der Pope sagt, nicht, was er selber tut.“

Das Deutsche fasst das Phänomen in einem einzigen Wort zusammen: Scheinheiligkeit, und es gibt die Wendung „Wein trinken und Wasser predigen“, die man aufgrund der ,österreichischen Verhältnisse‘ aktualisieren könnte: Sauerkrautsaft&Quinoa predigen und danach Cola&2xBig Mac (+große Pommes) verzehren.

Ein Tip für Habeck, den offiziellen, inthronisierten Wunschkanzler sämtlicher Kanäle des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und Fernsehens: Burger-Lieferservice NIE anders als an die Nadelöhr-enge Pforte eines stummen, selbst von BILD nicht bestechlichen Komplizen bestellen …

Das Phänomen war selbstverständlich schon der Antike bekannt. Der wortgewaltige Sallust etwa, der in seinen Geschichtswerken entrüstet den Niedergang der altrömischen Sitten geißelt, war selbst ein höchst zweifelhafter Charakter.

Und ausgerechnet dem Philosophen Seneca, dem bis heute gern gelesenen Künder stoischer Gelassenheit und Enthaltsamkeit, wurde im römischen Senat wie ein Speer die Frage entgegengeschleudert, „mit welcher Weisheit, mit welchen philosophischen Lehrsätzen“ (qua sapientia, quibus philosophorum praeceptis) er es eigentlich geschafft habe, in vierjähriger Freundschaft mit Nero 300 Millionen Sesterzen zusammenzuraffen“ (Tacitus, Annales, XIII, 42).

Die Philosophiegeschichte liefert zahlreiche weitere recht unerfreuliche Beispiele. Jean-Jacques Rousseau etwa, auch die Ober-Menschheitsbeglücker Marx&Engels, deren – in den Quellen ausführlich dokumentierte – persönliche Gemeinheit selbst manchen Linken peinlich ist. Auch der erfolgreichste Literar-Apostel marxistischer Ideale, der boshaft-zynische Egoist B. Brecht, muss ,in der realen Welt‘ zu jener Sorte Mensch gehört haben, der man besser aus dem Wege geht …

Peinlich: Wenn ein Fake-Moralist es auch noch unternimmt, den Realismus zu rügen. So brachte etwa ausgerechnet Friedrich II. – in den wohlgefütterten Mantel der Scheinheiligkeit gehüllt – seinen ,Anti-Machiavell‘ zu Papier.

Der Widerspruch zwischen Schein und Sein liegt eben in der Natur des Menschen. Man sollte sich nicht darüber ereifern, sondern sich an die eigene Nase fassen –  und einen Sokrates bewundern, dem es gelang, Reden und Handeln auf einen Nenner zu bringen.

Eher harmlos ist, was man von einem anderen Idol der ,68er‘ – neben Marx&Engels&Brecht&Ho-Chi-Min etc. – liest. Die Rede ist von Theodor W. Adorno. Er verwandte nämlich nur einen Teil seiner Arbeitskraft auf rabiate Gesellschaftskritik, den Rest darauf, an die stoische Tradition anzuknüpfen und sich mit allen Tricks ,um’s Finanzielle‘ zu kümmern:

„Ausgerechnet dem Starkritiker und Verächter der gewinnorientierten Privatwirtschaft, Theodor W. Adorno, bestätigte Joachim Günther im Nachruf in der ,Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘, wie sehr Adorno ein Kapitalist war, der auch noch den letzten Pfennig aus seinem Kapital zu pressen wusste. Er bewunderte nämlich Adornos ,ausgebreitete außerakademische Schriftstellerei und Vortragstätigkeit, bei der sich beide Produktionsweisen so kombinierten, daß er alle Medien der Geistesvermittlung nacheinander mit wortgetreu denselben Texten beliefern konnte, erst Vortrag- oder Diskussionsbeitrag, dann Radiosendung, dann Zeitschriften- oder Zeitungspublikation, dann  Buch‘. Auf jeder Stufe kassierte Adorno, der Spätmarxist, der sein Urheberrecht kannte, und seine Erben können es bis zum Jahre 2040, ohne einen Finger zu rühren. Und gerade diese Erben machen das gute Gewissen der Genossen noch unerklärlicher.

Die Opposition in linksbeherrschten Parlamenten sollte sich jede Erhöhung der Erbschaftssteuer nur durch einen Kompromiß abzwingen lassen: für jede Stufe ihrer Verschärfung sollte zugleich die Schutzfrist beim Urheberrecht um zehn Jahre gekürzt werden. Über Nacht wären unsere linken Erfolgsautoren die eifrigsten Verfechter der Eigentumsordnung. Vielleicht werden einige aber vorbringen, sie hätten bei der Schutzfrist nicht ans Geld für die Enkel gedacht, sondern nur an den Schutz ihrer Werke vor fremden Herausgebern, vor Verfälschung und Entstellung? Mag sein, aber das Recht auf Tantiemen und das Recht auf Kontrolle der Editionen ließen sich trennen.“

Helmut Schoeck, Die Lust am schlechten Gewissen, Freiburg im Breisgau (Herder) 1973, S. 135f.

 

Raubüberfall für Anfänger

Das renommierte spanische Verlagshaus Espasa Calpe bringt seit geraumer Zeit eine Serie mit dem Titel Espasa Idiomas heraus, mit Taschenbüchern zu den modernen Sprachen: Grámatica italiana, Gramática portuguesa, Deutsch-, Englisch- und Französischbücher. Die Bände, die ich kenne, sind  robust, und optisch wie typographisch sind sie ansprechend und übersichtlich gestaltet.

Das Buch Portugués fácil ist ein unterhaltsamer Einführungskurs zum Selbststudium des Portugiesischen in 24 Lektionen.

Eine wohltuende Alternative zu so manchen vergleichbaren Büchern aus Deutschland, die vor allem aus Hochglanz-Fotos von Touristenattraktionen, Speisekarten und Delikatessen des jeweiligen Landes bestehen.

Vor allem l’italiano ist Opfer solcher Publikationen. In ihnen ist das Italienische primär nicht das Idiom der Gassen Roms, Venedigs, Neapels. Erst recht nicht die Sprache Dantes und Petrarcas. First and foremost erscheint es als Zugang zum korrekten Bestellen üppiger Teller: mit Tagliatelle, Fettuccine, Spaghetti Carbonara, dazu 25 verschiedener Sorten Eis als Nachtisch …

Im hedonistischen Deutschland unserer Tage pflegt das Cover eines Italienisch-Buches nie das Profil Dantes zu zeigen, sondern einen Espresso, einen Teller dampfender Spaghetti oder eine Riesenpizza Napoletana. Und im Vorwort heisst es obligatorisch: mit dem jeweiligen Werk sei das Italienische ,kinderleicht‘, man könne es ,ohne Stress‘ lernen …

Die ersten 12 Lektionen von Portugués fácil behandeln in Alltagssituationen und Dialogen den Besuch des Spaniers Ignacio in Brasilien, danach geht es nach Portugal.

Ein in der Grundstruktur vergleichbares Buch war der Klassiker 30 Stunden Portugiesisch von Langenscheidt, das längst nicht mehr gedruckt wird. Verfasst war es von dem bedeutenden Romanisten Prof. Hans Flasche und bietet eine exzellente, da unüberboten exakte, Einführung in die portugiesische Grundgrammatik und den Wortschatz.

10.Auflage, 1962

Angereichert ist Portugués fácil mit zahlreichen landeskundlichen Erläuterungen und einer soliden Darstellung der Grammatik, wobei in jeder Hinsicht beide Varianten, Portugiesisch und Brasilianisch, berücksichtigt werden.

Das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Wer sich etwa das Oxford Essential Portuguese Dictionary kauft, wird auf dem Cover keinen Hinweis auf eine Tatsache finden, die im Vorspann, im Kleingedruckten auf S. 10 Erwähnung findet: „The phonetics in this dictionary are for Brazilian Portuguese.“

Für mich als jemanden, der bereits eine ganze Reihe von Sprachbüchern benutzt hat, war es ein Novum, in Portugués fácil auf eine Lektion mit einem unüblichen, doch wirklichkeitsnahen Sujet zu stoßen.

Lektion 17 behandelt – in souveräner Missachtung etwaiger ,politisch korrekter‘ Einwände – einen Überfall in einer dunklen Gasse Lissabons plus anschließende Strafanzeige auf dem Kommissariat. Auf jemanden, der vom Spanischen her zum Portugiesischen kommt, mögen die sanften Klangmodulationen des Portugiesischen stets einnehmend wirken, hier aber ,erklingt‘ Unerfreuliches:

Quieto aí, pá, e fique calminho. Deixe tudo o que tem no chão e não lhe acontecerá nada.

Mas o que é que está acontecendo! O que é isto!

Isto é um assalto, pá. Desça do pesseio, abra a sua pasta e dê-me tudo o que tem, não se esqueça do dinheiro dos bolsos, da carteira, tudo!

– Still, Freundchen, ganz ruhig. Legen Sie alles, was Sie bei sich haben, auf den Boden. Dann geschieht Ihnen nichts.

Ignacio: Was ist denn los? Was soll das?

– Dies ist ein Überfall, Freund. Gehen Sie vom Bürgersteig weg, öffnen Sie Ihre Aktentasche und geben Sie mir alles, was Sie haben, vergessen Sie nicht das Geld in den Hosentaschen und Ihrer Brieftasche, alles! (und so weiter)

FAZIT: Portugués fácil ist, wie die anderen Taschenbücher der Serie, eine empfehlenswerte Anschaffung, ein Buch für jeden, der Spanisch kann und Portugiesisch lernen möchte.

 

 

1 Sandra Beltrán Baeza, 2004

Zitat des Tages – Thales von Milet

Thales sagte, der Tod unterscheide sich in nichts vom Leben. „Warum“, fragte da jemand, „stirbst du dann nicht?“ – Thales: „Weil es keinen Unterschied macht.“

                                              Diogenes Laertios I, 35

Ruß & Topf

                  El perol diu a la paella: Si m’embrutes, t’emmascaro.

Der Topf spricht zur Pfanne: Machst du mich schwarz,  dann kriegst du Ruß.

                                          Katalanisches Sprichwort