Klassiker in die Hausapotheke!

Dass Titus Livius (*59 (?) v. Chr. in Padua, 17 (?) n. Chr. ebd.), der große römische Geschichtsschreiber (Ab Urbe Condita), durch die Jahrhunderte hinweg einen immensen Einfluss auf die europäische Literatur und Geschichte gehabt hat, ist unbestreitbar. Machiavelli, Rousseau, Shakespeare (The Rape of LucreceMacbeth), Lessing (Emilia Galotti) sind von ihm beeinflusst worden.

Ebenso die Gedanken- und Bilderwelt der französischen Aufklärung und Revolution; man denke etwa an das berühmte Gemälde Le Serment des Horaces, Der Schwur der Horatier (1784) von Jacques-Louis David, das sein Sujet dem ersten Buch von Ab Urbe Condita verdankt und in republikanisches Pathos taucht, indem es die Drillingsbrüder zu Idealbildern des opferbereiten citoyen stilisiert.

Und: die hohe sprachliche Schönheit und Gestaltungskraft des römischen Klassikers – aus Padua! – ist nicht nur von Hippolyte Taine gerühmt worden

Wer die Monographie Tito Livio von Ángel Sierra (Madrid 2012) öffnet, findet zu Beginn des allerersten Kapitels, das den Titel Invitación a la lectura de Livio trägt, ein weiteres, überraschendes Argument für die Livius-Lektüre: Livius lesen ist gesund!

Livio es una lectura saludable. Según cuentan, el rey D. Alfonso V de Aragón y I de Nápoles recuperó con la lectura de Livio la salud que ni la medicina ni la música habían podido devolverle; la lectura de Livio fue el único consuelo de Cola di Rienzi en la cárcel de Aviñón, manteniendo vivos sus ideales de libertad, y con el paso de los años, de la mano de Stendhal, hasta un personaje de ficción recurriría a sus reconfortantes efectos: ,Le Marquis, irrité contre le temps présent, se fit lire Tite-Live.‘  

Livius ist eine gesunde Lektüre. Man erzählt, Alfons V. von Aragon (=Alfons I. von Neapel) habe durch die Livius-Lektüre seine Gesundheit wiedererlangt, die weder die Medizin noch die Musik ihm hatten zurückgeben können. Die Lektüre des Livius war der einzige Trost für Cola di Rienzi im Gefängnis zu Avignon, sie hielt seine Ideale der Freiheit am Leben, und im Laufe der Jahre sollte sogar eine literarische Gestalt die heilenden Effekte des Livius nutzen, eine Schöpfung Stendhals (in Le Rouge et le Noir): ,Le Marquis, irrité contre le temps présent, se fit lire Tite-Live.‘ – ,Der Marquis, zornig auf die Gegenwart, lies sich Titus Livius vorlesen.‘

 

Und so nehme der Bürger – auf den zur Zeit die Nachrichten aus der Politik nur so hereinprasseln und der das Stammeln deutscher PolitikerInnen im kopfschüttelnd-stirntippenden Modus der Dauerkonsternation verfolgt – seinen Livius zur Hand.

Jeder, dem  – ähnlich wie dem Marquis aus Le Rouge et le Noir – angesichts der vielen Armleuchter in Berlin und der Bundesabkanzlerin A. M.  die Zornesadern schwellen, ergötze sich stattdessen an der staatsmännischen Klugheit der weißhaarigen Senatoren, die das anfangs winzige Schiff der res publica mit sicherer Hand durch so viele drohende und reale Katastrophen steuerten: Politikern und Militärs, die selbst einem Hannibal und seinen Elefanten trotzten. (Und präzis argumentierende Reden halten konnten sie auch!) Felix Roma.