Kontroverses – ex cathedra

„Einmal kam ein Gebildeter zu Buddha und sagte: ,Die Dinge, die Ihr lehrt, Herr, finden sich nicht in den Heiligen Schriften.  – ,Dann fügt sie ein,“ sagte Buddha. Nach einer peinlichen Pause sagte der Mann: ,Darf ich mir erlauben, Herr, zu sagen, dass einige der Dinge, die Ihr lehrt, in Wirklichkeit den Heiligen Schriften widersprechen?‘ ,Dann korrigiert die Schriften‘, sagte Buddha.“

„Un uomo colto una volta andò da Buddha e disse: ,Le cose che insegnate, signore, non si trovano nelle sacre Scritture‘. ‚Allora mettetecele‘, disse Budhha. Dopo una pausa imbarazzata, l’uomo proseguì: ,Posso permettermi, signore, di dire che alcune delle cose che voi insegnate contraddicono in realtà le sacre Scritture?‘. ‚Allora emendate le Scritture‘, disse Buddha.‘ “ (1)

Da ich nichts von Buddhismus verstehe, könnte man mich dafür kritisieren, dass ich diese Anekdote in meinen Blog-Eintrag aufnehme, denn weder vermag ich sie in die Geschichte des Buddhismus einzuordnen, noch auch nur für ihre Authentizität zu bürgen; man weiss ja: Gute Anekdoten sind gut erfunden.

Aber bei mir rief diese Anekdote eine ganz andere Assoziation hervor, die nichts mit der Lehre des Erleuchteten zu tun hat, nämlich den Gedanken an die Vorgehensweise so mancher christlicher Theologen, die die Lehren der Bibel nach ihrem Gutdünken verändern.

Vor allem, indem sie Sperriges als ,zeitbedingt‘ weg-erklären, Provokatives weichzeichnend zu entschärfen suchen, die Heilungs- und Wunderberichte in Symbolik auflösen.

Der gewaltige Unterschied zur Buddha-Anekdote liegt jedoch darin, dass jeder von ihnen mit dem Anspruch auftritt – und zwar häufig in apodiktischer Sprechweise – gerade diese seine Vorgehensweise offenbare den eigentlichen Sinn der Schrift.

So ist auch jener Typ von Predigten zu erklären, in denen  Positionen zu durchaus kontroversen gesellschaftlichen Fragen unmittelbar aus der Schrift heraus abgeleitet werden.

In der denkbar einseitigsten Kommunikationssituation, denn Predigt ist Monolog ohne Möglichkeit zur Gegenrede.

Die sich da in ihren politischen Agenden auf Gottes Wort berufen, geben ihre subjektiven Meinungen als alternativlos aus. Sie sehen sich als Vorkämpfer von Demokratie und Toleranz, sprechen aber von oben nach unten, gewissermaßen ex cathedra. So mancher Zuhörer möchte ihnen wohl mit Dr. Martinus zurufen: „Das Wort sie sollen lassen stahn.“

(1) Martino Morganti, Mai dire fine. Orizonti di speranza,Trapani 2005, S. 130f.