Radfahren im Sozialismus. Oder: Alle Mann an die Pumpen.

Der rumänische Arzt Dr. Gheorge Rafael-Ștefănescu hat seine Autobiographie geschrieben, die in Rumänien zum Bestseller wurde, „Erinnerungen aus dem sozialistischen Rumänien: Vom Aufblühen bis zum Scheitern“, „Amintiri din România socialistă: de la înflorire la faliment“.

Die Lektüre lohnt: Schließlich ist Sozialistisches in Deutschland, unter der sozialistisch sozialisierten Kanzlerin M., ja überall wieder schwer en vogue, sind die alten sozialistischen Dogmen ,alive and kicking‘.

Eine der Reminiszenzen entstammt der Welt des Fahrrads:

„Bei meinem ersten Besuch im Westen staunte ich darüber, mit welcher Leichtigkeit man dort Fahrräder aufpumpen konnte. Ich stellte fest, dass das Ventil ein Kügelchen besaß, während bei uns in Rumänien da eine kleine Gummiröhre war, die der Pumpe einen viel größeren Widerstand entgegensetzte. Und ich fragte mich: Warum kann man eigentlich nicht auch in Rumänien ein derartiges Ventil herstellen?

Ich dachte genauer darüber nach und zog folgende Schlüsse: Gesetzt den Fall, ein ,Innovator‘ kommt mit dem Vorschlag, die Fabrikation von Ventilen mit Kügelchen  zuzulassen. Möglicherweise würde sein Gutachten zu dieser Innovation akzeptiert, sogar die Genehmigung zur Produktion von ein paar Modellen erteilt. Der Erfinder würde belobigt, vielleicht sogar prämiert. Aber: Nie und nimmer würde seine Innovation in Serienproduktion gehen.  

Die Ursachen: Die Umstellung der Fertigungsstrecken erfordert harte Planungsarbeit („necesită bătaie de cap“) und Investitionen. Außerdem: Da es sich um eine Ware handelt, die für den Inlandskonsum bestimmt ist, die Fabrik das Fertigungsmonopol hat und keinerlei Konkurrenz existiert, besteht nicht das geringste Interesse an einer Verbesserung der Qualität des Produktes.“

„In vielen Bereichen, wo es keine Akkordarbeit gab, galt Blaumachen (,chiulul‘) nicht nur nicht als beschämend, sondern als lobenswert: ,Sie tun so, als ob sie uns bezahlten, und wir tun so, als ob wir arbeiteten!'“ – „Ei se fac că ne plătesc, noi ne facem că muncim.“

Hier sei angemerkt: Marxistischer geht’s nimmer, dachten doch Marx&Engels (genau wie vor ihnen die Protagonisten der Französischen Revolution) nie auch nur im Traum daran, ihren Lebensunterhalt mit so etwas wie realer Arbeit zu bestreiten. Und das Berufsideal der 68er(Innen) war bekanntlich: „irgendwas mit Sozialwissenschaft“.

„Immer mehr Männer und Frauen mieden ihre Arbeit in der kollektivierten Landwirtschaft, um privates Land zu bestellen. In der Saison der Agrarkampagnen machte sich ein akuter Mangel an Arbeitern bemerkbar, eine Lücke, die mit Soldaten, Studenten, Schülern gefüllt wurde, die nicht willens oder nicht in der Lage waren, Qualitätsarbeit zu leisten, was zu Ernteverlusten führte.“

„Die rumänischen Agrarspezialisten wählten eine Maissorte aus mit nur einen Meter hohem Flaum, aber genauso großen Kolben wie gewohnt. Der Zweck? Damit auch Kinder aus dem Kindergarten Mais ernten konnten.“

Fazit des Autors: „Economia monopolistă de stat, frână a progresului“ – „Staatliche Monopolwirtschaft, Bremse für den Fortschritt“.

Seinem Buch hat er das deskriptive und zugleich warnende Motto vorangestellt: „Pentru a privi spre viitor, trebuie să cunoaștem trecutul.“ – „Um in die Zukunft zu blicken, müssen wir die Vergangenheit kennen.“

„Amintiri din România socialistă“, Aufl. IV-a IngramSpark USA, 2020 (2005), S. 87f.