Neue Veröffentlichungen
Zwei neue Veröffentlichungen von mir sind in letzter Zeit erschienen. Zum einen eine Rezension in FORVM CLASSICUM (Heft 3/2023). Es handelt sich um eine Besprechung einer neuen brasilianischen Edition eines klassischen Werkes zur Übersetzungskunst, A Arte de Traduzir de Latim para Português, Reduzida a Princípios von Fr. José de Encarnaçao Guedes, zum anderen um einen Beitrag für The Carolingian, European Forum Of Cultural Debate über Sperone Speronis Dialogo Delle Lingue (1542), ein faszinierendes Werk des italienischen Humanismus. Dieses gelehrte Streitgespräch über den Status des Lateinischen und den der neuen Sprachen interessiert mich schon seit längerer Zeit, ich habe mich 2017 mit keinem Geringeren als dem bedeutendsten deutschen Linguisten unserer Tage, Jürgen Trabant, über den Dialogo ausgetauscht. Mein Aufsatz trägt den Titel „Alt- oder Neusprache? Speronis Dialogo Delle Lingue (1542)“. Ich danke dem Herausgeber des Carolingian, Gregory Barbosa, für die Aufnahme meines Artikels und für die hervorragende optische Präsentation des Textes.
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Homeoffice – im vorletzten Jahrhundert
Hermann Menge (1841-1939) ist einer der produktivsten deutschen Philologen gewesen und gewiss einer der besten (der beste?) Kenner der alten Sprachen.
Die heutigen Langenscheidt-Wörterbücher aller Größenordnungen des klassischen Griechisch (1) und des Lateinischen entstammen seinen Zettelkästen, und zwar jeweils Griechisch – Deutsch und Deutsch – Griechisch, Latein – Deutsch und Deutsch – Latein.
Dazu kommen Handbücher der griechischen und lateinischen Stilistik, Übungsbücher und – last but not least – die akribische Übersetzung der ganzen Bibel aus den hebräischen und griechischen Urtexten.
Ein Bekannter Menges berichtet: „Ich bat ihn, aus seinem Leben zu erzählen. Da breitete der fast Hundertjährige ein Leben vor mir aus von wahrhaft fleißiger Arbeit und nimmermüder Hingabe. In launiger Weise sagte er unter anderem: ,Ich habe eigentlich in meinem Leben nur am Schreibtisch gesessen. Ich kenne nicht das Meer und nicht das Gebirge. Ich verstehe nichts von Schiffen und nichts von der Technik. Ich weiß so recht gar nichts von dem, was die Welt weiß; aber ich habe mich bemüht, in meinem Fach etwas Leidliches zu leisten. Wenn ich mit meiner lieben Frau früher zu ihrer Erholung in einen Badeort fuhr, war mein erster Blick, ob in unserm Hotelzimmer auch ein Tisch stünde, an dem ich arbeiten könnte. Dort packte ich meine Bücher aus und habe von morgens früh bis abends spät wieder über den Büchern gesessen. Mit Recht sagte meine liebe Frau zu mir: ,Hör einmal, arbeiten kannst du doch auch zu Hause!‘ Worauf ich antwortete: ,Ja, du hast auch recht!‘ Und so sind wir dann lieber wieder nach Hause gefahren.“ (2)
Wer sich mit Menges Übungsbüchern beschäftigt, wird in doppelter Hinsicht beeindruckt sein: sowohl von den immensen Sprachkenntnissen des Verfassers als auch von dem Anspruchsniveau, dem sich Schüler und Studenten gegenübersahen. Kein Vergleich mit dem dünnblütigen Sprachunterricht unserer Tage. Eine Kostprobe:
„Übersetze INS LATEINISCHE:
Obwohl Dionysios, der Tyrann von Syrakus, von braven Eltern und aus einem geachteten Haus stammte – freilich lautet die Überlieferung hiervon bei den verschiedenen Schriftstellern verschieden –, und obwohl er auch zahlreiche Altersgenossen zu Freunden hatte und den Umgang mit Verwandten genoß, traute er doch keinem von ihnen, sondern überließ den Schutz für seine Person Sklaven und Ausländern und hatte sich, weil er infolge seiner unberechtigten Herrschbegier nirgends sicher zu sein meinte, gewissermaßen selbst in einen Kerker eingeschlossen.“
Der, nun, vielleicht ein wenig unübersichtliche Satz stammt aus den Materialien zur Erlernung und Wiederholung der lateinischen Grammatik von Hermann Menge (1. Auflage 1885), einem Übungsbuch für Oberstufenschüler. (3)
(1) Ich vermeide das Wort ,Altgriechisch‘.
(2) Fritz Schmidt-König, Hermann Menge. Vom Gymnasialdirektor zum Bibelübersetzer, Gießen (Brunnen), 1956, S. 44.
(3) Zitiert nach der 6. Auflage 1914; S. 145.
Neue Veröffentlichungen
Zwei Aufsätze von mir sind in letzter Zeit erschienen, an zwei unterschiedlichen Orten und über zwei sehr verschiedene Themen:
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Musaios, „Hero und Leander.“ Tradition und Originalität in Musaios‘ Liebesgedicht. Erschienen auf The Carolingian, European Forum Of Cultural Debate, thecarolingian.com
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Ein Meilenstein auf dem Wege des Christentums zur Weltreligion. Die Taufe des Cornelius. Institut für Glaube und Wissenschaft, iguw.de (Textsammlung).
EINLADUNG an alle Interessierten
Am Donnerstag, dem 26.10. 2023, halte ich einen ca. 30-minütigen Vortrag auf Zoom, vor dem Deutsch-Rumänischen Verein. Der Vortrag ist Teil der Reihe „Blütenlese“. Beginn 19:30. Das Thema ist ROM IN RUMÄNIEN.
ANMELDUNG unter DERUVE.GI@GMAIL.COM
Drei neue Veröffentlichungen
In FORVM CLASSICVM, der Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitäten, sind 2022 zwei Texte von mir erschienen. In Heft 1/2022 habe ich eine Rezension zu einer neuen französischen Übersetzung von Tacitus‘ Dialogus de Oratore veröffentlicht, von B. Dericquebourg: Tacite, Dialogue des orateurs (Paris 2021). In Heft 2/2022 ist ein ausführlicher Aufsatz erschienen, den ich zusammen mit dem trefflichen Fabian Weimer verfasst habe, „,King Midas‘ im Lateinunterricht – Drei ungewöhnliche Adaptionsbeispiele.“
Der Herausgeber, Jochen Schultheiss, kündigt in seinem Editorial den Aufsatz so an: „Man wird es kaum glauben, aber James Bond steht bei seinen Aristien nicht nur im Dienste der britischen Königin, sondern auch der Antikenrezeption. Wem dies noch nicht aufgefallen ist, der findet in mehrfachem Sinne äußerst Bereicherndes im Beitrag von Fabian Weimer und Christoph Wurm zum Motiv des Königs Midas.“
In Heft 2/2021 von Latein und Griechisch in Baden Württemberg erschien mein Aufsatz „,Wie du mir…‘ – eine schwierige Stelle aus der Ilias.“
Der Herausgeber Stefan Faller schreibt: „Einen zentralen Text des Griechischunterrichts betrifft der Beitrag von Christoph Wurm – schon länger hat der Rüstungstausch zwischen Glaukos und Diomedes im sechsten Buch der Ilias für Unbehagen oder Ratlosigkeit gesorgt. In der vorliegenden Untersuchung wird ein neuer Blickwinkel vorgestellt, der das Homerverständnis fördert.“
Erneuter Nachdruck von PRONTI PER SCRIVERE!
PRONTI PER SCRIVERE – ITALIENISCHER WORTSCHATZ ZUR TEXTARBEIT, das im deutschen Sprachraum erfolgreichste Italienischbuch für den Bereich der Textanalyse und Textproduktion, ist erneut nachgedruckt worden – nur anderthalb Jahre nach dem letzten Neudruck! Mein Dank gilt meiner Co-Autorin Valentina Vincis und dem Klett-Verlag in Stuttgart.
In 16 Kapiteln bietet das Werk alles, was zum individuellen Umgang mit Texten erforderlich ist, zum Beispiel zu den Themen Esprimere opinioni, Analizzare un problema, Lavorare con mezzi audiovisivi oder Scrivere una lettera. Zu diesem letztgenannten Thema enthält das Buch mehrere komplett ausgeführte Briefmuster für Privat- und Geschäftsbriefe.
Die Vokabeln und Redewendungen werden in PRONTI PER SCRIVERE im Kontext von Satzmustern präsentiert, was das flüssige Schreiben im Textzusammenhang ermöglicht. Ein italienisch-deutsches und ein deutsch-italienisches Glossar mit dem vollständigen vermittelten Vokabular runden das Buch ab.
Heute – Morgen – Gestern
„Ein Fehler, den meiner Meinung nach viele ,politische Denker‘ (…) machen, ist dieses ewige ,Lasst uns nach vorne schauen‘. Man möchte sich dann als betont konstruktiv und vernünftig geben. Was man damit aber macht, ist, Politikern zu helfen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Es ist absolut kein Wunder, dass Politiker die vielen Verfehlungen, gebrochenen Zusagen oder Untätigkeiten der Vergangenheit scheuen und immer nur in blumigen Worten über die Zukunft reden wollen. Denn ,morgen‘ wird nie kommen. Und wenn morgen dann doch kommt und man Fehler gemacht hat, dann ist morgen schon längst wieder gestern.“
Elisa David, Tichys Einblick, 30. 9. 2022
Von Posen und von Poseuren
Dass das Posieren, die eitle Selbst-Darstellung, im Alltag allgegenwärtig geworden ist, bedarf keiner Erklärung, es reichen die alliterativen Stichwörter Smartphone, Selfie, Selfie-Stick. Im Gegensatz zum schlichten Blick in den Spiegel kosten die, die sich da selbst zulächeln, ihren Narzissmus doppelt aus. Sie schwelgen nicht nur in den Wonnen des eigenen Bildes, sondern auch in der Vorstellung, dass ihre Bekannten bei Erhalt des Selfies diesen Anblick ebenfalls goutieren werden.
Im Bereich der Politik ist die Pose in einer anderen Form präsent. Man denke an jenen Wuschelkopf mit der gefurchten Stirn, der als deutscher Wirtschaftsminister posiert, dessen Dilettantismus, dessen fachliche Insolvenz jedoch bei jeder näheren Talk-Show-Befragung offen zutage tritt. Einen Hochstapler mag man ihn deshalb trotzdem nicht nennen, dafür tarnt er seine Ignoranz der ökonomischen und energiepolitischen Feinmechanik nicht durchtrieben genug. Jeder, der mal im universitären Bereich mit Geisteswissenschaftlern zu tun hatte, kennt diesen Typus des germanistischen Rauners und Schwurblers. Über die Posen der Außenminister-Darstellerin ließe sich auch einiges sagen, der Titel dieses Blog-Eintrags müsste dann um den Begriff der poseuse erweitert werden. (Wen es interessiert: Ich habe hier auf diesem Blog im letzten Jahr ihr Buch rezensiert).
Ein viel dreisterer Typus des Selbstdarstellers ist der des bewußt betrügerischen Manipulators. Das bekannteste Beispiel der letzten Jahre ist der ,Spiegel‘-Autor Claas-Hendrik Relotius, jener Betrüger, der 2018 als Verfasser teilweise frei erfundener ,Reportagen‘ – etwa zu den Segen der Merkelschen Migrationspolitik oder den Verfehlungen des Donald Trump – entlarvt wurde.
Zuvor war er viermal mit dem deutschen Reporterpreis aufgezeichnet worden. (Keinerlei Evidenz gibt es dafür, dass Jury-Mitglieder wie Caren Miosga oder Friedrich Küppersbusch, die sich selbst als ,kritische Journalisten‘ sehen, danach etwa in sich gegangen wären.)
Übrigens: Ausgerechnet 2014, also zwischen zwei Jahren, in denen er jeweils den Preis erhielt, wurde das Wort ,Lügenpresse‘ von einem woken ,Expertengremium‘ zum Unwort des Jahres gekürt.
Der Minister ist ein Schaf im Schafspelz, der Journalist war ein manipulativer Wolf im Schafspelz. Eine weitere Variante ist die des Schafs im Wolfspelz. Man denke an die Kids von Fridays For Future, die Schulschwänzen und Demos nutzen, um Aufruhr und Rebellentum zu mimen, während sie genau wissen, dass ihnen dafür haufenweise Beifall gewiss ist. Neben den Plakaten vergessen sie auch den Selfie-Stick nicht, da man auf der Demo jede Menge herrlicher Selfies machen kann; das Ganze statt Mathe-Unterricht.
Auf Twitter berichteten Eltern, als es vor drei Jahren losging, sogar von Fällen, in denen Klassenlehrer einzelne Dissidenten zu sich zitierten und Auskunft darüber verlangten, warum diese Schüler denn NICHT pflichtschuldigst zur Demo gegangen seien.
Vor zehn Jahren las man in der deutschen Presse, dass betagte Demonstranten sich wie waschechte civil rights activists von polizeilichen Einsatzkräften forttragen ließen – und dabei lachten: Es war schließlich nicht Alabama 58, sondern bloß Stuttgart 21.
Zur Schaf-im-Wolfspelz Pose gehört auch eine neulich von mir in der Vorabendmesse gehörte Predigt, in der der Pater in gedehnter Rede von seinen Missionserfahrungen in Afrika berichtete. Jeder sei dort im Gottesdienst willkommen, egal ob er 2, 3 oder 4 Ehefrauen habe. Der Kirche stehe es nicht zu, solche Menschen auszugrenzen. Mit Donnerstimme forderte er dann, die Kirche müsse endlich TOLERANT werden.
Die kleinste, billigste, abgegriffenste Münze des gegenwärtigen öffentlichen Diskurses, die obligatorische Forderung nach TOLERANZ – vorgetragen im Duktus eines widerborstigen Mahners …
Wie lautete doch eines der zentralen motti des Barock? „Alles ist eitel.“